Auktion: 374 / Moderne Kunst am 04.12.2010 in München Lot 68

Conrad Felixmüller - Der Bettler von Prachatitz


68
Conrad Felixmüller
Der Bettler von Prachatitz, 1924.
Aquarell
Schätzung:
€ 100.000
Ergebnis:
€ 225.700

(inkl. Käuferaufgeld)
Aquarell und Gouache über Bleistift
Rechts oben signiert und datiert. Verso signiert, datiert, betitelt und handschriftlich bezeichnet "Neumann & Nierendorf". Auf Aquarellbütten. 50 x 65 cm (19,6 x 25,5 in)
Vergleiche auch das Gemälde "Bettler von Prachatitz" von 1925 (Felixmüller 345) in leicht veränderter Komposition sowie die Radierung "Der Alte von Prachatitz" von 1964 (Söhn 608).

Mit einer Fotoexpertise von Herrn Prof. Dr. Heinz Spielmann, Hamburg, vom 22. Oktober 2010.

PROVENIENZ: Dr. Heinrich Scherlag, Dresden (direkt vom Künstler erworben).
Alice Hagängen, Schweden.

Nach dem Besuch der Dresdner Kunstgewerbeschule, an der Conrad Felixmüller ein Jahr lang Zeichenunterricht nimmt, tritt er 1912 in die Privatschule des Künstlers Ferdinand Dorsch und noch im selben Jahr in die Klasse von Professor Carl Bantzer an der Königlichen Kunstakademie in Dresden ein, um seine Ausbildung als Maler zu beginnen. Nachdem Felixmüller 1915 die Akademie verlässt, ist er als freischaffender Künstler in Dresden tätig, hält sich aber öfter in Berlin auf, wo er im Atelier von Ludwig Meidner malt und außerdem an der von Herwarth Walden herausgegebenen Zeitschrift "Der Sturm" mitarbeitet. Mit dem Buchhändler Felix Stiemer zusammen gründet Felixmüller 1917 die Kunst- und Literaturzeitschrift "MENSCHEN", bei der er, ebenso wie beim "Sturm", als grafischer Gestalter tätig ist. Daneben finden Ausstellungen bei Hans Goltz in München und zusammen mit Heckel, Kirchner und Schmidt-Rottluff in der Galerie Arnold in Dresden statt. Dorthin übersiedelt Felixmüller 1918. Er wird Gründer und Vorsitzender der Dresdner Sezession und Mitglied der November-Gruppe. Nebenbei arbeitet er an verschiedenen Zeitschriften mit (z.B. "Die Sichel", Regensburg; "Rote Erde", Hamburg) und veröffentlicht eigene literarische Texte wie z.B. die Autobiografie "Mein Werden" (Kunstblatt) oder Gedanken über "Künstlerische Gestaltung" (Kestnerbuch, Hannover).

Früh verabschiedet sich Conrad Felixmüller von einem Expressionismus, der sein Frühwerk bestimmt, jedoch bald nicht mehr seinem Wollen und seinen Intentionen entspricht. Die Übersteigerung als Ausdrucksmittel wird nun in eine eher nüchtern-sachliche Sehweise gewandelt. Doch in der Thematik seiner Bildinhalte bleibt sich Felixmüller treu. Eine gewisse Konzentration auf die ihn umgebende Welt bringt einen Zug von Beschaulichkeit in sein Werk der späten zwanziger Jahre, und wird es von da an nicht mehr verlassen. Doch bleibt die sozialkritische Komponente nicht ausgeschlossen, wie an unserem Aquarell eindringlich nachvollziehbar ist. Der direkt in den Vordergrund platzierte Bettler ist in seiner Hilfsbedürftigkeit eindrucksvoll geschildert. Die in gewissem Abstand Vorbeigehende, die nur einen kurzen Blick riskiert, bestärkt in ihrer abweisenden Haltung das Gefühl des Ausgeliefertseins an ein unbestimmtes Schicksal, das die halb liegende Figur des Bettlers dem Betrachter vermittelt. Im Gegensatz dazu steht eine frische Farbigkeit, die Felixmüller nahezu allen seinen Werken mitgibt und die in ihrer Wirkung der Gesamtkomposition einen eher optimistischen Grundgehalt vermittelt.

Um 1930 zeigen sich Tendenzen zu einem Wandel, der sich thematisch in einer zunehmend genrehaften, erzählerischen Entwicklung, formal in dem Streben nach einer ruhigeren Bildsprache äußert. 1933 ist Felixmüller mit 40 Arbeiten in der Dresdner Ausstellung "Entartete Kunst" zu sehen. In der Hoffnung auf freiere Arbeitsmöglichkeiten übersiedelt er 1934 nach Berlin-Charlottenburg. 1937 werden 151 Werke des Künstlers aus öffentlichem Besitz beschlagnahmt. Als 1941 das Berliner Domizil durch Bomben zerstört wird, findet Felixmüller Asyl in Damsdorf in der Mark. 1944 zieht er nach Tautenhain, wird aber noch im selben Jahr zum Kriegsdienst einberufen. Nach kurzer sowjetischer Kriegsgefangenschaft kehrt er 1945 nach Tautenhain zurück. 1949 erfolgt die Berufung zum Professor an die Martin-Luther-Universität in Halle mit einem Lehrauftrag für Zeichnen und Malen innerhalb der Pädagogischen Fakultät. Nach seiner Emeritierung 1961 geht Felixmüller zurück nach Berlin. Ab dem Kriegsende bis zu seinem Tod im Jahr 1977 finden zahlreiche Ausstellungen in beiden Teilen Deutschlands sowie in Paris, Rom, Bologna und Florenz statt. [KD].




68
Conrad Felixmüller
Der Bettler von Prachatitz, 1924.
Aquarell
Schätzung:
€ 100.000
Ergebnis:
€ 225.700

(inkl. Käuferaufgeld)