Wertvolle Bücher
Auktion: 98 / Wertvolle Bücher am 06./08.12.1979 Lot 117

- - Evangelistar-Einband, Lombardei


117
-
Evangelistar-Einband, Lombardei, 1100.
Schätzung:
€ 250.000
Ergebnis:
€ 335.800

(inkl. Käuferaufgeld)
Kostbarer romanischer Evangelistareinband, Lombardei (Mailand) Ende 11., Anfang 12. Jh. Getriebenes Goldblech und Goldfiligran, edle Steine und Perlen, Schmelzwerk und Goldemails. Auf ca. 200 mm starkem Holzdeckel mit Seidenfond. 395 : 298 mm. Goldener Evangelistar-Einband mit 23 figürlichen Emailplatten und Emailmedaillons, 20 ornamentalen Emailtäfelchen, eingefaßt in reicher Goldtreibarbeit und mit kostbarem Steinbesatz - ein Meisterwerk lombardischer Goldschmiede- und Zellenschmelzarbeit. Ein ca. 25 mm breiter mit Steinen und Emailtäfelchen alternierend besetzter Rand umschließt das vertieft liegende Mittelstück mit den prachtvollen figürlichen Senkschmelz-Cloisonnes lombardisch-romanischer Emailkunst und der prächtigen Goldtreibarbeit mit der Figur des Christus am Kreuz als Zentrum. Der Corpus des Gekreuzigten ist von smaragdfarbenem, durchscheinendem Email in der Form des Kreuzes umgeben; der Nimbus in Blautönen emailliert. Darüber die Medaillons von Sonne (links) und Mond (rechts). Die vier großen rechteckigen Emailtafeln zeigen Maria und Johannes (Kreuzigungsgruppe), unterhalb der Kreuzdarstellung die Visitation (Maria und Elisabeth vor den Toren der Stadt) und oberhalb Christus als thronender Weltenherrscher und Triumphator in der Mandorla, von Seraphinen gehalten. Wie ein breites Band sind die Medaillons der 12 Apostel und die Symbole der vier Evangelisten um die Hauptszene gereiht. Sämtliche Felder des Goldgrundes sind mit feinstem Goldfiligran überzogen, das den Untergrund belebt. Sie sind voneinander abgegrenzt durch Bänder mit Perlen- und Steinbesatz in Kasten- oder (auf dem Rand) à jour Fassung, von Krallen oder rankenähnlichen Formen gehalten. Die 20 großen Edelsteine auf dem Rand geschliffen à cabochon, einige wenige von alter Hand facettiert. Die Fassungen der Steine mit Filigran geziert.
In der kompositionellen Aufteilung erinnert der Einband an die hervorragendsten Beispiele byzantinischer Goldschmiede- und Emailkunst (vgl. Pala d'oro, S. Marco in Venedig); die byzantinischen Arbeiten sind ohne Zweifel Vorbild. In der gesamten Auffassung, in der Zeichnung und Stilisierung der Figuren, in der Fassung der Steine und insbesondere im Charakter der Treibarbeit ist jedoch der italienische-lombardische Geist spürbar. Ganz romanisch ausgeprägt ist die Figur des Christus am Kreuze, auch in der Vielfarbigkeit der Emailarbeiten und in ihrem Stil wendet sich der oberitalienische Meister von den byzantinischen Vorlagen ab. Dies können Vergleichsbeispiele belegen; die Christusdarstellung ähnelt dem Christus vom Evangeliareinband des Erzbischofs Ariberto im Mailänder Domschatz, die Komposition der Visitation und die Technik der Emailkunst lassen sich den berühmten Schmelzplatten der sogenannten Pax von Chiavenna (S. Lorenzo) zur Seite stellen; verwandte Züge zeigt das Kreuzreliquiar im Dom von Capua, das „Reliquario di Capua" vom Anfang des 12. Jahrhunderts. Dieses vorliegende Hauptwerk lombardischer Goldschmiede- und Emailkunst repräsentiert in sich eine ganze Epoche der abendländischen Kunst. An der Authentizität dieses kostbaren Kunstwerkes bestehen eine Zweifel. Seine außerordentliche Qualität in Material und künstlerischer Gestaltung sprechen vom Geist einer Zeit, die ihren reichen Schmuck für das Kostbarste, das sie besaß, neben den Reliquien der Heiligen, für die dem Kult dienenden Evangelienhandschriften aufwendete. Die beiliegenden Expertisen sprechen vom „kostbaren und äußerst seltenen Juwel der italienischen Kunst" (Maetzu) und vom „Staunen über eine Kunstwerk ersten Ranges" (Toesca). Der außerordentlich gute Erhaltungszustand des Kunstwerkes läßt seine Schönheit ohne Beeinträchtigungen über die Jahrhunderte hinweg auf uns wirken. Die äußerste Seltenheit eines derartigen Kunstwerkes von Rang läßt sich schwerlich mit den üblichen Maßstäben messen. Vgl. zum Thema die detaillierte Studie von Yvonna Hackenbach, Italienisches Email des frühen Mittelalters, Basel 1938.




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Evangelistar-Einband, Lombardei, 1100.
Schätzung:
€ 250.000
Ergebnis:
€ 335.800

(inkl. Käuferaufgeld)