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Otto Mueller
Badende in Landschaft, 1920.
Leimfarbe auf Rupfen
Schätzung:
€ 600.000 Ergebnis:
€ 762.000 (inklusive Aufgeld)
Badende in Landschaft. 1920.
Leimfarbe auf Rupfen.
Links unten monogrammiert. 80 x 107,5 cm (31,4 x 42,3 in).
Weitere Werke aus der Sammlung William Landmann werden in unserem Modern Art Day Sale am Samstag, den 9. Dezember 2023 sowie im Rahmen unserer Online-Only-Auktion vom 15.11. bis 10.12.2023 angeboten.
• Ein unantastbarer, paradiesischer Ort.
• Diese Landschaft mit Akten gehört zu den epochalen Motiven des Künstlers.
• Durch die matte Leimfarbe auf Rupfen erzeugt Otto Mueller eine zu seiner Zeit besondere, progressive Ästhetik, die sie bis heute behält.
• "Badende in Landschaft": Abbild von Natur und Natürlichkeit in musealer Qualität.
• Seit 100 Jahren Teil der selben Privatsammlung.
• Die Provenienz des Gemäldes ist Abbild der bewegten deutschen Geschichte.
• Aus der Sammlung William Landmann, Kanada.
PROVENIENZ: Wohl Sammlung Fritz Rudolf Schön, Berlin.
Das Kunsthaus Herbert Tannenbaum, Mannheim (vom Vorgenannten).
Sammlung William (Dr. Wilhelm) Landmann (1891-1987), Mannheim/Amsterdam/Toronto (in den frühen 1920er Jahren vom Vorgenannten erworben).
Sammlung Martin Landmann (1923-2021), Vancouver, Kanada (1953 vom Vorgenannten erhalten).
Seither in Familienbesitz.
AUSSTELLUNG: Stedelijk Museum, Amsterdam (Juli 1939-1946 als Leihgabe aus der Sammlung Landmann).
European sculpture and painting from the collection of William Landmann, Toronto, Art Gallery of Ontario, Toronto, 18.10.-17.11.1946.
The Wilhelm Landmann collection, Art Gallery of Ontario, Toronto, Dezember 1948.
The Schon and Landmann collections, Art Gallery of Ontario, Toronto, 4.-27.3.1949.
LITERATUR: Tanja Pirsig-Marshall/Mario-Andreas von Lüttichau, Otto Mueller, Leipzig 2020, Bd. 1, WVZ-Nr. G1920/ 05
Robert Hubbard, European Paintings in Canadian CollectionsII, Toronto 1962, S. 160.
Unterlagen zur Einlagerung / Leihgabe der Sammlung Landmann, Archiv des Stedelijk Museum Amsterdam, Ordner 707.
Ausstellungslisten von 1946, 1948, 1949, Archiv der Art Gallery of Ontario, Toronto.
Sammlungsinventar (Karteikarte) der Sammlung Landmann, Privatbesitz.
"Hauptziel meines Strebens ist, mit größtmöglicher Einfachheit, Empfindung von Landschaft und Mensch auszudrücken."
Otto Mueller, 1919
Leimfarbe auf Rupfen.
Links unten monogrammiert. 80 x 107,5 cm (31,4 x 42,3 in).
Weitere Werke aus der Sammlung William Landmann werden in unserem Modern Art Day Sale am Samstag, den 9. Dezember 2023 sowie im Rahmen unserer Online-Only-Auktion vom 15.11. bis 10.12.2023 angeboten.
• Ein unantastbarer, paradiesischer Ort.
• Diese Landschaft mit Akten gehört zu den epochalen Motiven des Künstlers.
• Durch die matte Leimfarbe auf Rupfen erzeugt Otto Mueller eine zu seiner Zeit besondere, progressive Ästhetik, die sie bis heute behält.
• "Badende in Landschaft": Abbild von Natur und Natürlichkeit in musealer Qualität.
• Seit 100 Jahren Teil der selben Privatsammlung.
• Die Provenienz des Gemäldes ist Abbild der bewegten deutschen Geschichte.
• Aus der Sammlung William Landmann, Kanada.
PROVENIENZ: Wohl Sammlung Fritz Rudolf Schön, Berlin.
Das Kunsthaus Herbert Tannenbaum, Mannheim (vom Vorgenannten).
Sammlung William (Dr. Wilhelm) Landmann (1891-1987), Mannheim/Amsterdam/Toronto (in den frühen 1920er Jahren vom Vorgenannten erworben).
Sammlung Martin Landmann (1923-2021), Vancouver, Kanada (1953 vom Vorgenannten erhalten).
Seither in Familienbesitz.
AUSSTELLUNG: Stedelijk Museum, Amsterdam (Juli 1939-1946 als Leihgabe aus der Sammlung Landmann).
European sculpture and painting from the collection of William Landmann, Toronto, Art Gallery of Ontario, Toronto, 18.10.-17.11.1946.
The Wilhelm Landmann collection, Art Gallery of Ontario, Toronto, Dezember 1948.
The Schon and Landmann collections, Art Gallery of Ontario, Toronto, 4.-27.3.1949.
LITERATUR: Tanja Pirsig-Marshall/Mario-Andreas von Lüttichau, Otto Mueller, Leipzig 2020, Bd. 1, WVZ-Nr. G1920/ 05
Robert Hubbard, European Paintings in Canadian CollectionsII, Toronto 1962, S. 160.
Unterlagen zur Einlagerung / Leihgabe der Sammlung Landmann, Archiv des Stedelijk Museum Amsterdam, Ordner 707.
Ausstellungslisten von 1946, 1948, 1949, Archiv der Art Gallery of Ontario, Toronto.
Sammlungsinventar (Karteikarte) der Sammlung Landmann, Privatbesitz.
"Hauptziel meines Strebens ist, mit größtmöglicher Einfachheit, Empfindung von Landschaft und Mensch auszudrücken."
Otto Mueller, 1919
Die Darstellung von Badenden in einer Landschaft wie in diesem ausnehmend schönen und harmonisch komponierten Gemälde ist charakteristisch und typisch für das Werk von Otto Mueller. Es sind diese Ausschnitte von Landschaften, die bis auf wenige Ausnahmen keiner bestimmten Zeit und keinem Ort verbunden sind. Einzelne, krumm gewachsene Bäume mit dichten, großblättrigen Kronen, bühnenhaft inszeniert, zuweilen hohe Gräser, ein sandiger Weg zwischen Dünen, wo schließlich zwanglos und sich unbeobachtet fühlend die Badende, der Akt fernab der Strände hinter den Dünenketten positioniert ist. Es ist eine arkadische Landschaft mit wunderbar fein abgestimmter Farbpalette, zeitlos, gleichsam in ein irdisches Paradies versetzt.
Otto Mueller beginnt, das Thema Akt in der Landschaft auf vielfältige Art zu formulieren. Er variiert zwischen reiner Figurenkomposition eingebunden in Landschaftsinseln oder, wie hier, weitläufigen Kompositionen, die er belebt mit vereinzelten Figuren in der Landschaft. Mit großer Intensität sucht Mueller sein Thema Akt in der Natur, seine persönliche Vorstellung mit einfachsten Formen und die Darstellung der weiblichen Körper in vollendeter Anmut zu erreichen. "In seinem Schaffen", so der Theater- und Kunstkritiker Paul Fechter in einem unveröffentlichten Aufsatz von 1920, "ging es immer und immer wieder von neuem um Sein und Gestalt der Frau: in ihr fand er Eros und Schönheit". Mit der zwangsläufig einsetzenden Abstrahierung werden porträtähnliche Charakterisierungen der Dargestellten seltener, bis sie zugunsten einer Typisierung weichen.
Otto Mueller. Der Akt, die Badende. Paul Cézanne
Otto Muellers intensive Auseinandersetzung mit dem klassischen Thema "Badende" oder "Mensch in der Landschaft" lässt unweigerlich vergleichende Gedanken mit Cézanne aufkommen, der dieses Thema zu einem der zentralen Motive in der Kunst des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gemacht hat. Gerade die oft deutlich gewünschte wie abwägende Verteilung und Verschränkung der Figuren bei Mueller, die gleichgestimmten, wohlklingenden wie durchkomponierten Variationen erinnern in ihrem Aufbau an Cézanne. Jedoch scheint Otto Mueller – dessen Auseinandersetzung mit Cézanne sei hier einmal unterstellt – gegenüber Cézanne eine noch weitere Reduzierung der plastischen Körperbildung vorzunehmen, wie auch eine Vereinfachung der verschiedenen Körpergesten der Sitzenden, Hockenden, Knienden, Stehenden zueinander zu beabsichtigen. Otto Mueller hat sich über dergleichen Gedanken nicht nachweislich geäußert, wie es von ihm überhaupt nur sehr wenige theoretische Niederlegungen gibt. Somit lassen sich nur durch analytische Vergleiche offensichtliche Gemeinsamkeiten mit Vorbildern respektive Zeitgenossen erschließen.
Schon früh lässt sich etwa in Muellers Zeichnungen und Arbeiten, die 1908 auf Fehmarn entstehen, eine unmittelbare Reaktion auf Cézanne unterstellen. Dies lässt sich so auch für Ernst Ludwig Kirchner festhalten, der seit dem Sommer 1909 in seinem Schaffen deutlich auf Cézannes Bilderfindungen reagiert. Die Kenntnis der "Badenden" Cézannes zeigt jedenfalls große Wirkung auf die an den Moritzburger Seen entstandenen Arbeiten der "Brücke"-Künstler in den Sommern 1910 und 1911 und somit indirekt auch wieder auf Otto Mueller. Wie Kirchner und Erich Heckel und die vielen anderen Künstler, die eine wahre Rezeptionsflut auslösen, zieht Mueller die gleichen Erkenntnisse und Schlüsse aus einer Begegnung mit der Malerei des Franzosen. Vor den berühmt gewordenen Motiven Muellers zum Leben der Roma und seine Darstellung von innig verharrenden Liebespaaren sind die Badende in Teichen und Seen oder in freier Natur sich dem Sonnenbad hingebende Mädchen ein herausragendes Thema Otto Muellers. Es gibt unzählige Varianten zu einem scheinbar unerschöpflichen Thema, welches der Künstler 1919 im Vorwort zur ersten Einzelausstellung in der Galerie von Paul Cassirer als Ziel seines Strebens beschreibt, "mit größtmöglicher Einfachheit, Empfindung von Landschaft und Mensch auszudrücken".
Junge Nacktheit, schmal und spröde von Wuchs
Die Harmonie zwischen den beiden Mädchen links und rechts des Weges in dieser Dünenlandschaft ist offensichtlich, wie "eine Fuge der schönsten Muße, die jede einzelne Komposition als elementare Gestalt bestimmt", so der Kunstkritiker Willi Wolfradt 1929 Otto Muellers Bilderwelt charakterisierend. Mit poetischer Prosa hatte Willi Wolfradt diese Mädchen in vergleichbaren Situationen beschrieben und im Ausdruck wunderbar getroffen: "Junge Nacktheit, schmal und spröde von Wuchs und Gebärden kauert lässig im Ufergras waldumschlossener Teiche, eingegangen in die heilige Untätigkeit der Natur" (Willi Wolfradt, Otto Mueller, in: Die Kunst, Band 59, München 1929, S. 121ff.).
Trotz aller Vereinfachung in der Darstellung des Körpers und dem schnellen, nervösen Zitieren der Landschaft bleibt für Mueller die Proportion das Maß seiner Kompositionen. "Er lebte aus dem Maß und aus der Zahl, aus der Struktur und dem inneren Gehalt", wie Werner Haftmann über Otto Mueller mit Ernst Ludwig Kirchner vergleichend feststellt, dieser hingegen von "ganz unmittelbaren Expressionen seines so sehr vitalen Formwillens" existiert. Eine bemerkenswert geschlossene, ausgeglichenere Farbgebung und ausgewogenere Komposition bei Figur und Landschaft ist für Mueller schon in seinem frühen Werk festzustellen. Der nackte Mensch in der freien Natur, ob an Fehmarns Küste, in den Böhmischen Wäldern oder an den Moritzburger Teichen, erschien jedenfalls den jungen "Brücke"-Künstlern nicht nur als etwas Selbstverständliches, sondern sie verbanden damit im übertragenen Sinn auch eine Sehnsucht nach paradiesischem Leben, schlicht auch die Verdrängung des Alltäglichen.
"Es liegt eine leichte Melancholie", so Paul Westheim, einer der ersten Kunstkritiker und Herausgeber der Zeitschrift "Das Kunstblatt" 1918 zu Otto Muellers Themen, "ein empfindsames In-die-Welt-Hineinblicken, das im Nerv zurückzuschrecken scheint vor allem, was laut und grell ist, was irgendwie als dramatisch zugespitzte Situation sich geben könnte. [..] Von dem Schlag sind auch die Liebespaare und die Badenden alle, die er gemalt und gezeichnet hat, [..] Badende am Strand, nackte Körper zwischen Schilf und Baumlaub, für Mueller scheinbar unerschöpfliche Themen, denen er immer noch eine Variante abzugewinnen weiß, wie er überhaupt an einem Vorwurf sehr lange festhält, ihn immer wieder aufgreift, um noch etwas mehr Empfindung in ihn hineinzulegen. Immer wieder Körper, die in ihrer Entwicklung zurückgeblieben sind, daß man oft nicht weiß, welchen Geschlechts sie sind. Sie wachsen auf, schlank, spitzig, mit knochigen Gliedmaßen, die jede Bewegung eckig macht. In diesem Sehen, das gewiß instinktmäßig geschieht, offenbart sich unstreitig ein Anflug von Lyrismus, der für den Menschen charakteristisch ist und als dämpfender Akkord die Produktion immer wieder durchsetzt. Dieser Unterton von Sentiment gibt den Arbeiten Otto Muellers den besonderen Reiz." (Paul Westheim, Otto Mueller, in: Das Kunstblatt, Heft 2, 1918, S. 129ff.)
Die Provenienz: eine bewegte Geschichte
Das Gemälde "Badende in der Landschaft" befindet sich seit nahezu 100 Jahren im Besitz der Familie Landmann. Im handschriftlichen Sammlungsinventar von William (Wilhelm) Landmann hat sich eine Karteikarte erhalten, aus der auch die Provenienz hervorgeht. Bei diesem Werk handelt es sich demnach um einen Ankauf vom Mannheimer Kunsthändler Herbert Tannenbaum, dem besten Freund des Sammlers Wilhelm Landmann. Bereits zu Beginn der 1920er Jahre geht das Werk von hier zu Landmann über. Und sogar der Vorbesitzer zu Herbert Tannenbaum ist verzeichnet: "Vormals Sammlung Schön" steht hier. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier um Fritz Rudolf Schön (geb. 1881), einen der frühen Sammler moderner Kunst mit einer Vorliebe für Werke von Feininger und Kandinsky, der von Berlin in die Schweiz und später – ebenso wie William Landmann – nach Toronto emigriert. Die beiden kennen sich, stellen ihre Kunstwerke 1949 sogar gemeinsam in Toronto aus. In dieser Gemeinschaftsschau ist das hier angebotene Gemälde von Otto Mueller neben Werken aus der Sammlung Schön zu sehen. Denn das Bild befindet sich ab 1946 in Kanada: Als Wilhelm Landmann 1936 nach Amsterdam fliehen muss, nimmt er das Gemälde mit sich. Im Stedelijk Museum in Amsterdam überdauert es sicher die Jahre von Krieg und Besatzung. 1946 dann wird das Gemälde nach Toronto gesandt, in die neue Heimat von William Landmann. Noch im selben Jahr wird das Kunstwerk mit der bewegten Geschichte hier in der renommierten Art Gallery of Ontario in der Schau "European sculpture and painting from the collection of William Landmann" der Öffentlichkeit präsentiert, weitere Ausstellungen folgen. 1953 übergibt der Sammler das Bild seinem Sohn Martin, in dessen Familie es bis zum heutigen Tag verblieben ist. [MvL/AT]
Otto Mueller beginnt, das Thema Akt in der Landschaft auf vielfältige Art zu formulieren. Er variiert zwischen reiner Figurenkomposition eingebunden in Landschaftsinseln oder, wie hier, weitläufigen Kompositionen, die er belebt mit vereinzelten Figuren in der Landschaft. Mit großer Intensität sucht Mueller sein Thema Akt in der Natur, seine persönliche Vorstellung mit einfachsten Formen und die Darstellung der weiblichen Körper in vollendeter Anmut zu erreichen. "In seinem Schaffen", so der Theater- und Kunstkritiker Paul Fechter in einem unveröffentlichten Aufsatz von 1920, "ging es immer und immer wieder von neuem um Sein und Gestalt der Frau: in ihr fand er Eros und Schönheit". Mit der zwangsläufig einsetzenden Abstrahierung werden porträtähnliche Charakterisierungen der Dargestellten seltener, bis sie zugunsten einer Typisierung weichen.
Otto Mueller. Der Akt, die Badende. Paul Cézanne
Otto Muellers intensive Auseinandersetzung mit dem klassischen Thema "Badende" oder "Mensch in der Landschaft" lässt unweigerlich vergleichende Gedanken mit Cézanne aufkommen, der dieses Thema zu einem der zentralen Motive in der Kunst des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert gemacht hat. Gerade die oft deutlich gewünschte wie abwägende Verteilung und Verschränkung der Figuren bei Mueller, die gleichgestimmten, wohlklingenden wie durchkomponierten Variationen erinnern in ihrem Aufbau an Cézanne. Jedoch scheint Otto Mueller – dessen Auseinandersetzung mit Cézanne sei hier einmal unterstellt – gegenüber Cézanne eine noch weitere Reduzierung der plastischen Körperbildung vorzunehmen, wie auch eine Vereinfachung der verschiedenen Körpergesten der Sitzenden, Hockenden, Knienden, Stehenden zueinander zu beabsichtigen. Otto Mueller hat sich über dergleichen Gedanken nicht nachweislich geäußert, wie es von ihm überhaupt nur sehr wenige theoretische Niederlegungen gibt. Somit lassen sich nur durch analytische Vergleiche offensichtliche Gemeinsamkeiten mit Vorbildern respektive Zeitgenossen erschließen.
Schon früh lässt sich etwa in Muellers Zeichnungen und Arbeiten, die 1908 auf Fehmarn entstehen, eine unmittelbare Reaktion auf Cézanne unterstellen. Dies lässt sich so auch für Ernst Ludwig Kirchner festhalten, der seit dem Sommer 1909 in seinem Schaffen deutlich auf Cézannes Bilderfindungen reagiert. Die Kenntnis der "Badenden" Cézannes zeigt jedenfalls große Wirkung auf die an den Moritzburger Seen entstandenen Arbeiten der "Brücke"-Künstler in den Sommern 1910 und 1911 und somit indirekt auch wieder auf Otto Mueller. Wie Kirchner und Erich Heckel und die vielen anderen Künstler, die eine wahre Rezeptionsflut auslösen, zieht Mueller die gleichen Erkenntnisse und Schlüsse aus einer Begegnung mit der Malerei des Franzosen. Vor den berühmt gewordenen Motiven Muellers zum Leben der Roma und seine Darstellung von innig verharrenden Liebespaaren sind die Badende in Teichen und Seen oder in freier Natur sich dem Sonnenbad hingebende Mädchen ein herausragendes Thema Otto Muellers. Es gibt unzählige Varianten zu einem scheinbar unerschöpflichen Thema, welches der Künstler 1919 im Vorwort zur ersten Einzelausstellung in der Galerie von Paul Cassirer als Ziel seines Strebens beschreibt, "mit größtmöglicher Einfachheit, Empfindung von Landschaft und Mensch auszudrücken".
Junge Nacktheit, schmal und spröde von Wuchs
Die Harmonie zwischen den beiden Mädchen links und rechts des Weges in dieser Dünenlandschaft ist offensichtlich, wie "eine Fuge der schönsten Muße, die jede einzelne Komposition als elementare Gestalt bestimmt", so der Kunstkritiker Willi Wolfradt 1929 Otto Muellers Bilderwelt charakterisierend. Mit poetischer Prosa hatte Willi Wolfradt diese Mädchen in vergleichbaren Situationen beschrieben und im Ausdruck wunderbar getroffen: "Junge Nacktheit, schmal und spröde von Wuchs und Gebärden kauert lässig im Ufergras waldumschlossener Teiche, eingegangen in die heilige Untätigkeit der Natur" (Willi Wolfradt, Otto Mueller, in: Die Kunst, Band 59, München 1929, S. 121ff.).
Trotz aller Vereinfachung in der Darstellung des Körpers und dem schnellen, nervösen Zitieren der Landschaft bleibt für Mueller die Proportion das Maß seiner Kompositionen. "Er lebte aus dem Maß und aus der Zahl, aus der Struktur und dem inneren Gehalt", wie Werner Haftmann über Otto Mueller mit Ernst Ludwig Kirchner vergleichend feststellt, dieser hingegen von "ganz unmittelbaren Expressionen seines so sehr vitalen Formwillens" existiert. Eine bemerkenswert geschlossene, ausgeglichenere Farbgebung und ausgewogenere Komposition bei Figur und Landschaft ist für Mueller schon in seinem frühen Werk festzustellen. Der nackte Mensch in der freien Natur, ob an Fehmarns Küste, in den Böhmischen Wäldern oder an den Moritzburger Teichen, erschien jedenfalls den jungen "Brücke"-Künstlern nicht nur als etwas Selbstverständliches, sondern sie verbanden damit im übertragenen Sinn auch eine Sehnsucht nach paradiesischem Leben, schlicht auch die Verdrängung des Alltäglichen.
"Es liegt eine leichte Melancholie", so Paul Westheim, einer der ersten Kunstkritiker und Herausgeber der Zeitschrift "Das Kunstblatt" 1918 zu Otto Muellers Themen, "ein empfindsames In-die-Welt-Hineinblicken, das im Nerv zurückzuschrecken scheint vor allem, was laut und grell ist, was irgendwie als dramatisch zugespitzte Situation sich geben könnte. [..] Von dem Schlag sind auch die Liebespaare und die Badenden alle, die er gemalt und gezeichnet hat, [..] Badende am Strand, nackte Körper zwischen Schilf und Baumlaub, für Mueller scheinbar unerschöpfliche Themen, denen er immer noch eine Variante abzugewinnen weiß, wie er überhaupt an einem Vorwurf sehr lange festhält, ihn immer wieder aufgreift, um noch etwas mehr Empfindung in ihn hineinzulegen. Immer wieder Körper, die in ihrer Entwicklung zurückgeblieben sind, daß man oft nicht weiß, welchen Geschlechts sie sind. Sie wachsen auf, schlank, spitzig, mit knochigen Gliedmaßen, die jede Bewegung eckig macht. In diesem Sehen, das gewiß instinktmäßig geschieht, offenbart sich unstreitig ein Anflug von Lyrismus, der für den Menschen charakteristisch ist und als dämpfender Akkord die Produktion immer wieder durchsetzt. Dieser Unterton von Sentiment gibt den Arbeiten Otto Muellers den besonderen Reiz." (Paul Westheim, Otto Mueller, in: Das Kunstblatt, Heft 2, 1918, S. 129ff.)
Die Provenienz: eine bewegte Geschichte
Das Gemälde "Badende in der Landschaft" befindet sich seit nahezu 100 Jahren im Besitz der Familie Landmann. Im handschriftlichen Sammlungsinventar von William (Wilhelm) Landmann hat sich eine Karteikarte erhalten, aus der auch die Provenienz hervorgeht. Bei diesem Werk handelt es sich demnach um einen Ankauf vom Mannheimer Kunsthändler Herbert Tannenbaum, dem besten Freund des Sammlers Wilhelm Landmann. Bereits zu Beginn der 1920er Jahre geht das Werk von hier zu Landmann über. Und sogar der Vorbesitzer zu Herbert Tannenbaum ist verzeichnet: "Vormals Sammlung Schön" steht hier. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier um Fritz Rudolf Schön (geb. 1881), einen der frühen Sammler moderner Kunst mit einer Vorliebe für Werke von Feininger und Kandinsky, der von Berlin in die Schweiz und später – ebenso wie William Landmann – nach Toronto emigriert. Die beiden kennen sich, stellen ihre Kunstwerke 1949 sogar gemeinsam in Toronto aus. In dieser Gemeinschaftsschau ist das hier angebotene Gemälde von Otto Mueller neben Werken aus der Sammlung Schön zu sehen. Denn das Bild befindet sich ab 1946 in Kanada: Als Wilhelm Landmann 1936 nach Amsterdam fliehen muss, nimmt er das Gemälde mit sich. Im Stedelijk Museum in Amsterdam überdauert es sicher die Jahre von Krieg und Besatzung. 1946 dann wird das Gemälde nach Toronto gesandt, in die neue Heimat von William Landmann. Noch im selben Jahr wird das Kunstwerk mit der bewegten Geschichte hier in der renommierten Art Gallery of Ontario in der Schau "European sculpture and painting from the collection of William Landmann" der Öffentlichkeit präsentiert, weitere Ausstellungen folgen. 1953 übergibt der Sammler das Bild seinem Sohn Martin, in dessen Familie es bis zum heutigen Tag verblieben ist. [MvL/AT]
53
Otto Mueller
Badende in Landschaft, 1920.
Leimfarbe auf Rupfen
Schätzung:
€ 600.000 Ergebnis:
€ 762.000 (inklusive Aufgeld)
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